
In der Sitzung der Bürgerschaft im Januar 22 soll die Verwaltungsvorlage zur Freiwilligen Restitution von Objekten aus der Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck beraten werden. Von den über 400 Objekten der Völkerkundesammlung aus Namibia sollen 24 Objekte zurückgeführt werden. Der Wert wird mit wenigen Tausend Euro angegeben. Von den 150 Objekten der Pangwe-Expedition aus Zentralafrika sind zwei Objekte identifiziert, die zurückgeführt werden sollen. Eine Hörnermaske und eine Statue, die jeweils mit über einer Million Euro taxiert werden. Es gibt keine Rückgabeforderungen aus den Herkunftsländern.
Der Kulturausschussvorsitzende Detlev Stolzenberg (Unabhängige) sieht im Vorschlag der Verwaltung noch Nachbesserungsbedarf: „Die Vorlage der Verwaltung zur Restitution ist unausgegoren. Nach den Grundsätzen, die bei Restitutionen zu beachten sind, ist immer eine Einbeziehung der Herkunftsethnien erforderlich. Dies ist unbedingt nachzuholen bevor eine abschließende Liste von Rückgabeobjekten zusammengestellt wird. Weiterhin erweckt die Vorlage den Eindruck, es sei der Hansestadt Lübeck egal, was mit den Objekten nach der Rückgabe geschieht. Weiterhin wird in der Vorlage der Eindruck erweckt, mit der Rückgabe der 26 Objekte sei der Verbleib der restlichen Afrika-Bestände in der Völkerkundesammlung ethisch unbedenklich. Hier wird mit dem ersten Aufschlag schon der letzte Schritt des Verfahrens vorgezeichnet. Dieses Vorgehen ist unseriös.“
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Alleingang der Verwaltung: „Die Völkerkundesammlung ist eine Schenkung der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit an die Hansestadt Lübeck. Die Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde zu Lübeck hat den Ausstellungsbetrieb viele Jahre aufrechterhalten. Viele in der Stadtgesellschaft fühlen sich der Lübecker Völkerkundesammlung gegenüber verbunden. Diese Akteure sind bisher nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen worden. Auch dieses Versäumnis sollte vor weitergehenden Entscheidungen nachgeholt werden.“Ein weiterer Gesichtspunkt, der für eine Kulturstadt wie Lübeck eine besondere Herausforderung darstellen sollte, kommt von einer prominenten Stimme aus Afrika: Der aus Kamerun stammende Politikwissenschaftler und Theoretiker des Postkolonialismus, Achille Mbembe, wirft 2018 in der Süddeutschen Zeitung und in der Zeit die Frage auf: ‚Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der jeder und alles wieder nach Hause zurück muss?‘ Stattdessen, so Mbembe, sollten wir uns eingestehen, dass die Verstrickung der Welt unumkehrbar sei. Restitutionen folgten nicht nur dem alten Konzept der Eigentümerschaft, sie verhinderten auch den wechselseitigen Kontakt. Statt Restitutionen anzustreben, sollten wir lieber über Konzepte des Teilens nachdenken, mit dem Ziel, nicht nur die Objekte vom Eigentumsdenken zu befreien, sondern auch die Menschen.
Mbembe ist der Meinung, dass Afrika und Europa zusammen über Möglichkeiten der Restitution und Reparation nachdenken müssen. Bisher wurde das nicht angegangen. Das Ziel sollte ein grenzenloses Zirkulieren von Kunstgegenständen sein. Und zwar nicht nur der geraubten Objekte aus Afrika, sondern des gesamten Erbes der Menschheit. Sie gehören uns allen. Sie wären eine Manifestation des Commons, des geteilten Erbes.
In diesem Sinne regen die Unabhängigen an, ein Konzept zum Zirkulieren von Kunst und Ausstellungen zwischen Lübeck und Museen der jeweiligen Herkunftsländer zu entwickeln und sich nicht lediglich auf Restitutionen zu beschränken.