Ute Scheub: Mitwirkung an demokratischen Prozessen bewirkt Glück

Bei der ersten Jahresauftakt-Rede der Unabhängigen am vergangenen Sonntag im Lübecker Rathaus war die Politologin und Autorin Dr. Ute Scheub zu Gast. In ihrem Vortrag „Vorwärtsverteidigung durch Partizipation“ lud sie die 80 Anwesenden ein, sich in politische Entscheidungsprozesse einzumischen: „Menschen benutzen gerne ihre Stimme. Jeden Tag im Durchschnitt vier Stunden lang, mit 16.000 Wörtern. Wir reden gerne und empfinden Glück, wenn uns zugehört wird. Dieses Empfinden gibt es auch in unserer Demokratie. Hier seine Stimme zu gebrauchen und gehört zu werden, bewirkt Glück.“ Ihre anschauliche These besagt: Menschen als soziale Wesen sind auf Resonanz angewiesen. Resonanz mit anderen Menschen und mit der Gesellschaft und ihren Organen. Ignorieren Verwaltung, Politiker, Regierungen oder Gesetzgeber die Wünsche und Ideen der Menschen, werden diese teilnahmslos oder zu Wutbürgern. Können Menschen sich hingegen in Bürgerbegehren, Volksabstimmungen, Bürgerversammlungen oder Ortsbeiräten einbringen, finden sie also Gehör, profitiert die gesamte Gesellschaft davon. Mehr noch, die Gesellschaft als Ganzes und die Individuen werden glücklicher, denn Glück, so belegen Forschungsergebnisse, entsteht durch Beteiligung an und Mitsprache in der Gemeinschaft. Schweizer Studien belegen sogar, dass in den Kantonen mit den meisten Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung der Wohlstand am höchsten ist.

Ute Scheub sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf, die Demokratie weiterzuentwickeln: „Leider ist es häufig so, dass Wählerinnen und Wähler ihre Stimme bei einer Wahl abgeben und dann vier bis fünf Jahre stimmenlos sind. Diese politische Sprachlosigkeit bringt Wutbürger hervor. Durch partizipatorische und konsultative Instrumente der Demokratie kann Menschen ihre Stimme wieder gegeben werden.“ Bei der Bürgerbeteiligung komme es auf Qualität und die Zielrichtung an: „Arbeitet Verwaltung lediglich für den Bürger fehlt der Austausch auf Augenhöhe. Wirkungsvolle Bürgerbeteiligung bedeutet mit den Bürgern gemeinsam Themen bearbeiten.“ Auf die Frage, wie mehr Partizipation im Rathaus durchgesetzt werden könnte, gab Ute Scheub den Unabhängigen den Rat: „Bleiben Sie flexibel. Ortsbeiräte wären gut. Sollten diese nicht durchsetzbar sein, setzen Sie auf Bürgerräte oder auf konsultative Bürgerbefragungen zu konkreten Themen. Suchen Sie sich Verbündete in der Stadtgesellschaft. Und bleiben Sie penetrant am Thema.“

Die Fraktion Die Unabhängigen in der Lübecker Bürgerschaft erhält durch den Vortrag von Ute Scheub Rückenwind. Ihr Wahlprogramm enthält als zentrale Forderung die stärkere Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern in politische Entscheidungsprozesse. Dazu erklärt Fraktionsvorsitzender Detlev Stolzenberg: „Partizipation ist kein Luxus, sondern eine notwendige Bedingung für ein lebendiges Gemeinwesen und eine selbstbewusste und vielstimmige Stadtgesellschaft.“