Unabhängige wollen ausgewogene Besetzung der Aufsichtsräte

Eigentlich sollte in der Januarsitzung der Bürgerschaft die Neubenennung der Aufsichtsräte in den städtischen Gesellschaften erfolgen. Dies soll jetzt verschoben werden. Nach der Hauptsatzung haben die Fraktionen Zugriffsrechte in der Reihenfolge nach dem Höchstzahlenverfahren. Diese Regelung stellt sicher, dass die Verteilung der 62 Aufsichtsräte das Wahlergebnis der Kommunalwahl abbildet. Allerdings ist zweifelhaft, ob dieses Verfahren auch zukünftig zur Anwendung kommt. SPD und CDU haben zur nächsten Bürgerschaftssitzung einen Antrag zur „Änderung der Hauptsatzung – § 10“ gestellt. Offensichtlich wollen sie sich damit die Möglichkeit eröffnen, dass nicht das Wahlergebnis über die Verteilung der Sitze in den Aufsichtsräten entscheidet, sondern ausschließlich die jeweilige Rathausmehrheit – also demnächst die angestrebte neue Mehrheit von SPD und CDU.

Zugriffsrechte bei Aufsichtsräten wurden erst 2015 eingeführt. Damals gab es Streit, da die Kooperation aus SPD, Grünen und Freien Wählern sich nach der Kommunalwahl 2013 bei den Aufsichtsräten üppig bedient hatten. Obwohl die Freien Wähler nicht einmal Fraktionsstärke hatten, bekamen sie als Kooperationspartner sieben Aufsichtsräte. Nach dem Bruch der Kooperation kam dann die neue Regelung in die Hauptsatzung, um eine ausgewogene, am Ergebnis der Kommunalwahl orientierte Besetzung der Aufsichtsräte zu erreichen. Das wurde seinerzeit einstimmig bei Enthaltung der SPD beschlossen.

Die Unabhängigen haben kein Verständnis dafür, dass dieses faire und demokratische Verfahren, das nach der Gemeindeordnung auch für die Besetzung der Vorsitzenden der Ausschüsse möglich ist, nunmehr in Frage gestellt wird.

Dazu erklärt Detlev Stolzenberg, Fraktionsvorsitzender der Unabhängigen: „Die Fraktionen erhalten durch ihre Mitwirkung in den Aufsichtsräten die Möglichkeit, wichtige Bereiche der Lübecker Kommunalpolitik beeinflussen zu können und notwendige Informationen über den Geschäftsbetrieb zu erhalten. Bei der Auswahl der zu besetzenden Aufsichtsräte ist es selbstverständlich, dass jede Fraktion sich für die Gesellschaften entscheidet, die ihrem politischen Profil und ihren personellen Möglichkeiten am besten entsprechen. Eine Zuweisung durch eine Rathausmehrheit ist nicht akzeptabel.“

Wolfgang Neskovic (Die Unabhängigen) erläutert die Hintergründe: „Wichtige kommunale Aufgaben wie zum Beispiel der Stadtverkehr, die Hafenwirtschaft, die Energieversorgung, die Kulturbetriebe und die Wohnungswirtschaft werden mittlerweile von privatrechtlichen städtischen Gesellschaften regelmäßig in der Rechtsform von GmbHs wahrgenommen. Leider hat die Gemeindeordnung in Schleswig-Holstein diese Möglichkeit geschaffen. So werden zentrale Bereiche der kommunalen Selbstverwaltung dem unmittelbaren Einflussbereich der Lübecker Bürgerschaft entzogen. Diese Bereiche sind „privatisiert“ und rechtlich den Regeln des Privatrechts unterworfen. Dadurch wird der kommunalen Selbstverwaltung erheblicher Gestaltungsspielraum genommen. Hier wird – entsprechend privatrechtlicher Vorschriften – unter Ausschluss der Öffentlichkeit Politik gemacht und Geld bewegt. Zwar hat der Gesetzgeber zum Ausgleich für diese Privatisierung kommunaler Aufgaben die Einrichtung von Überwachungsorganen vorgeschrieben, um den Gemeinden einen „angemessenen Einfluss“ zu sichern. Zu diesen Überwachungsorganen zählen „insbesondere“ die Aufsichtsräte. Deren Einfluss ist jedoch nur begrenzt, weil sie nur eine Überwachungsfunktion beinhaltet und nicht die Kompetenz zum „operativen Geschäft“.  Diese liegt in den Händen der jeweiligen Geschäftsführung.

Wer also in die Lübecker Bürgerschaft gewählt wird, muss demnach auch die damit verbundenen gesetzlichen Vorgaben akzeptieren und ein Aussichtratsmandat anstreben, wenn er seinen (noch verbliebenen) politischen Gestaltungsraum verantwortlich wahrnehmen will. Nur mit der Wahrnehmung eines solchen Mandats kann er sicherstellen, dass er seine politischen Handlungsmöglichkeiten umfassend ausübt. Die Unabhängigen sehen die vorgenannte Privatisierung städtischer Aufgaben sehr kritisch. Unsere Wählerinnen und Wähler erwarten von uns jedoch, dass wir dieses System – solange es besteht – hinterfragen, modernisieren und mehr Transparenz schaffen.  Dieser Verantwortung wollen wir uns stellen.  Das können wir aber nur, wenn wir im Rahmen unserer Möglichkeiten in den Aufsichtsräten mitarbeiten.“